Dieses Wochenende fand der
Bundesparteitag (BPT) der Piratenpartei in Bochum statt. Es war mein
erster Bundesparteitag, Parteitage auf Landes-, Bezirks- und
Kreisebene habe ich schon ein paar mitgemacht, aber ein BPT ist doch
allein aufgrund der Massen nochmal eine andere Erfahrung.
Es war spannend und wir haben es
wirklich geschafft, ein paar Programmpunkte durchzubringen (und auch
abzulehnen). Nicht immer war ich der gleichen Meinung wie der
Parteitag, aber naja, das passiert bei Demokratie – und es war auch
nichts überragend Schlimmes dabei, was mich groß ins Zweifeln
bringen würde.
Kritik habe ich aber dennoch, und nicht
zu wenig.
Die GO-Schlachten
Ist es neuerdings
üblich, dass Anträge so oft abgestimmt werden, bis das Ergebnis den
Wünschen unseres Wahlleiters entspricht und er nichtmehr seinen
sofortigen Rücktritt/Austritt ankündigt? Wenn ja: könnte Herr
Urbach dann in Zukunft bitte vorher sagen, welches Ergebnis er
wünscht, damit wir nicht 5 mal abstimmen müssen? Oder das Ganze doch lieber als normales Mitglied machen und nicht als Wahlleiter?
Die GO – Antrag auf Ende der
Debatte
In der diesmal
genutzten Geschäftsordnung konnte eine Debatte (nach 15
Redebeiträgen) auf Antrag + Abstimmung sofort beendet werden. Auf
diese Art wurden Minderheiten benachteiligt, die keine Chance hatten,
sich einem solchen Antrag entgegenzustellen und auch wurde davon
ausgegangen, dass die Nummer 16+ in der Reihe eventuell doch noch
einen guten Beitrag hätte, der die Versammlung umstimmt. Lassen wir
uns wirklich so sehr von der Angst vor Trollen leiten, dass wir
lieber demokratische Grundlagen aufgeben, anstatt uns mit ein paar
Trollen zu beschäftigen? Demokratie ist nicht einfach, nicht
schnell. Aber wir wollen sie haben. Zumindest wollten wir das mal,
hat sich das geändert?
Die GO – Quorum für geheime
Abstimmungen
Und wieder treibt
die Angst vor Trollen interessante Blüten. Geheime Abstimmungen
haben einen Grund. Das Ziel ist es, Minderheiten vor sozialem Druck
zu schützen und so eine freie Entscheidung zu ermöglichen. Auch
hier ist es so, dass diese geheimen Abstimmungen von Trollen
missbraucht werden. Leider. Aber gibt uns das das Recht, ein Quorum
von FÜNFZIG Stimmen einzuführen? Ja, das sind nur 2,5% bei ca. 2000
anwesenden Mitgliedern. Aber ich, als recht aktiver Pirat, mit
Beauftragung des bayerischen Landesvorstandes und dadurch viel
Kontakt zu anderen Piraten, hätte Probleme, fünfzig Leute zu
finden, denen ich zutraue, mich zu unterstützen, ohne mich der
Gefahr auszusetzen, eben genau an Leute zu geraten, die mich diesem
oben genannten sozialen Druck aussetzen könnten. Wie soll das
einer Person gelingen, die einer Minderheit angehört, ohne
entsprechend vernetzt zu sein? Nur in der Hoffnung, dass sich durch
Zufall genug Leute in der Versammlung finden. So schützen wir unsere
Mitglieder und deren freie Entscheidungen? Wirklich? Dann führt
lieber Delegiertenversammlungen ein, die sich genau dafür wählen
lassen, selbst unangenehme Entscheidungen zu treffen. Aber behauptet
nicht, wir sind basisdemokratisch und erlauben die Teilhabe aller.
Die Versammlungs- und Wahlleitung
Ich weiß, VL und
WL sind keine schönen Jobs. Macht man den Job gut, muss man ständig
Leuten auf die Zehen steigen. Deswegen habe ich großen Respekt vor
Leuten, die sich das trotzdem antun. Aber: Wenn ihr euch dafür
bereit erklärt, müsst ihr euch auch an die Regeln halten. Wenn ihr
das nicht könnt, seid ihr falsch für diesen Job. In dem Moment, wo
ihr oben auf dem Podium steht, habt ihr nicht ständig eure Meinung
zu GO-Anträgen, Wahlwiederholungen & Co. abzugeben. Ihr
beeinflusst damit Leute oder nehmt es zumindest in Kauf. Und ja,
meistens war ich sogar eurer Meinung. Meistens konnte ich es wirklich
nachvollziehen, dass euch ein Antrag genervt hat. Trotzdem, bitte,
haltet euch zurück.
Das Meinungsbild – manche sind
gleicher
Der vorherige
Punkt war eher eine Bitte an die VL, sich das zu Herzen zu nehmen.
Aber dieser Punkt ist ein wirklicher Vorwurf:
Dass Bernd als
Bundesvorsitzender einfach auf die Bühne springt, ein Meinungsbild
einholt, abstimmt und die VL im Anschluss nur zahm und formal darauf
hinweist, dass das ja so gar nicht ginge – das ist eine Sache. In
diesem Fall sogar ok, auch die Begründung von Bernd lasse ich zu.
Dass aber sofort im Anschluss einem anderen Parteimitglied das exakt
gleiche Recht verweigert wird, ist unglaublich. Ist das unser
vielbeschworenes „der Vorstand hat nicht mehr Rechte als jedes
andere Mitglied sondern darf nur verwalten“? Entweder ihr lasst
solche Ausnahmen dann bei anderen ebenfalls zu – oder ihr lasst es
auch nicht beim Bundesvorstand zu. Dass die Versammlung in diesem
Moment nicht wütend aufbegehrt, wie bei so vielen anderen
Kleinigkeiten, ist mir echt unverständlich.
Aber auch das
Meinungsbild von Bernd war ziemlich daneben. Erst wird eine
Verlängerung der Versammlung von Parteitagen abgelehnt. Und jetzt
plötzlich wird das anhand eines Meinungsbildes entschieden, ohne
Diskussion, ohne Aussprache, ohne Möglichkeit zur Gegenrede? Und die
Frage „wollt ihr Programm oder Vorstandswahlen?“ ist auch
ziemlich manipulativ. Wer will denn wirklich Vorstandswahlen?
Natürlich wollen wir Programmpunkte abstimmen. Aber halten wir es
für sinnvoll? Bedeutet es sogar, dass wir mit der Arbeit des
Bundesvorstandes (oder einzelner Vorstandsmitglieder) zufrieden sind,
wie es jetzt hingedreht wird? Wohl kaum. Es heisst genau eines: wir
haben keinen Bock, dauernd Vorstände zu wählen. Für notwendig
erachte ich es trotzdem. Auch deswegen wären übrigens andere
Meinungsbilder notwendig gewesen, denn genau das hätten diese
liefern sollen. Egal ob die Versammlung meiner Meinung war oder nicht
– dann könnt ihr sagen, die Versammlung ist zufrieden oder sie ist
es nicht. Mit dem aktuellen Meinungsbild habt ihr nichts. Überhaupt
nichts.
Auf
die TO-Schlacht gehe ich übrigens nicht mehr ein. Das hat sich ja
inzwischen auf jedem Parteitag eingebürgert. Wenigstens weiß ich
bei solchen GO-Anträgen automatisch, welche Karte ich heben muss.
Fazit
Hört damit auf, aus Angst vor Trollen unsere Ansprüche an die Teilhabe aller weiter zu beschneiden.
Hört damit auf, demokratische Grundzüge wie Minderheitenschutz abzuschaffen.
Hört damit auf, unsere Partei zu zerstören, weil ihr Angst habt, dass andere unsere Partei zerstören.
Fazit
Hört damit auf, aus Angst vor Trollen unsere Ansprüche an die Teilhabe aller weiter zu beschneiden.
Hört damit auf, demokratische Grundzüge wie Minderheitenschutz abzuschaffen.
Hört damit auf, unsere Partei zu zerstören, weil ihr Angst habt, dass andere unsere Partei zerstören.